Die Überführung

Pünktlich kurz vor 9 Uhr war ich am 31.07. beim Jeanneau-Händler in Stavoren. Dieser liegt hinter der alten Schleuse. Zu den aktuellen Schleusen muss man also durch zwei oder drei Brücken, also komplett den Wasserweg durch Stavoren hindurch. Ich war gerade dabei, Bootsnamen und Logo aufzukleben, da kommt der Verkäufer und teilt mir mit, dass leider die erste Brücke defekt sei, die Reparatur im Gange, aber ungewiss, wann man da durchfahren kann. Aber die alte Schleuse würde ausnahmsweise um 10 Uhr heute einmal öffnen. Keine Frage, also beeilt, Boot ins Wasser gelassen, Rettungsinsel verladen und zusammen mit einem Mitarbeiter, der mir eine Einführung geben sollte, ab in die Schleuse. Der Mitarbeiter meinte, er arbeite jetzt seit 15 Jahren hier, sei aber das erste Mal in der Schleuse. Eine echte Zugabe des Schicksals als positiver Wink. Außer uns nur ein ca. 9 m langes Motorboot. Dafür aber 2 Hafenmeister und 2 Hafenmeisterinnen, die sich alle manuell mit verschiedenen Gerätschaften abmühten, das Schleusentor hinter uns manuell zu schließen, die Brücke manuell zu heben und dann das vordere Tor manuell zu öffnen. Ein tolles Erlebnis bei bestem Wetter. 

Stück für Stück verliere ich die Scheu vor der Größe. Kann den Mitarbeiter zunächst machen lassen, höre sorgfältig zu und frage, wenn ich etwas wissen will. Für mich ist fast alles neu: Das Starten eines Dieselmotors, das Ausmachen dessen. Die Bedienung des Hubkiels. Die Bedienung der Elektrowinsch. Wir setzen Groß und rollen das Vorsegel aus. Am Wind laufen wir bei wenig Wind schon fast 4 kn. Sehr gut. Dann die Wende, Segelbergen -ja, hier hat das Wort eine wahre Bedeutung: Gut 35 m² sind BERGE von Segeltuch! Dann motore ich langsam in den alten Hafen, damit wir dort kurz anlegen. Der Gashebel ist ebenso sensibel wie die Lenkung. Aber alles klappt auf Anhieb ohne Bruch. Zu meinem Erstaunen merke ich gar nicht, dass hier ein Faltpropeller verbaut ist. Sofort nach Einlegen des Rückwärtsganges ist voller Schub vorhanden. Perfekt. Dann noch kurz die Rechnung geholt und zum ersten Mal alleine auf dem Boot. Ganz alleine. Mit Ehrfurcht, aber gutem Gefühl. Das Ablegen ist noch etwas holprig, geht aber knapp ohne Bruch ab. Das Boot braucht wegen der Doppelruder und dem dazwischen wirkenden Propeller Fahrt für Richtungswechsel. Das muss man üben. Rückwärts wird wahrscheinlich einfacher sein. 

Aus dem Hafenbecken heraus bläst mir dann der Wind genau aus der Richtung entgegen, in die ich fahren muss. Aber kein Problem. Wir müssen zeitig in Lemmer sein, daher verzichte ich auf das Aufkreuzen und motore bis Lemmer. Ganz gemütlich unter Autopilot. Erkunde ein wenig die Instrumente, das Boot und genieße ansonsten die wachsende Ruhe und Sicherheit. Wenn ich kurz manuell den Kurs anpasse erwische ich mich dabei, die falsche Richtung zu wählen. Ich bediene intuitiv das Rad wie die Pinne: Aber die Drehung nach rechts lässt das Boot nicht nach links fahren, sondern nach rechts. Autsch. Aber das wird sich sicher geben. Am Freitag allerdings nicht mehr. Da heißt es volle Konzentration und der Fehler passiert mir noch öfter. So verinnerlicht ist die Pinnenbewegung.

Vor der Princessmargrietsluis dann hochsommerliches Gerangel mit heißen Köpfen, einigem Geschrei, und dem Glück für mich, dass ich ganz hinten unmittelbar vor dem Schleusentor fest machen kann. Das ist die einzige Stelle mit durchgängiger Spundwand. So kann ich mit Festmacher an der Mittelklampe und über den Poller an der Spundwand locker das Boot halten, ohne dass es sich wegdrehen kann. Perfekt. Und wenige Zeit später schon bin ich am neuen Liegeplatz: Gewohnter Steg, nur viel weiter am Stegende. 

Dann liege ich da. Es ist geschafft. Ein neuer Zeitabschnitt beginnt. Ich kann mir nur wenig Ruhe gönnen, denn dann melde ich mich bei einem Stegkollegen, der die große Freundlichkeit hat, mir sofort anzubieten, mich nach Stavoren zu fahren. Das spart mir viel Zeit und Umstände. Was für eine tolle Geste! 

Zurück mit dem eigenen Wagen heißt es dann, das alte Boot ausräumen und alles ins neue Boot hinein. Denn am nächsten Tag wird das alte Boot an den Käufer übergeben. Bis 21 Uhr räume ich um, dann ist es geschafft. Das alte Boot ordentlich leer, Chaos im neuen. C'est la vie.

Ich bin dem Schicksal dankbar, dass es alles so in einem perfekten Fluss geleitet. Ein optimaler Übergang von einem in das andere Boot. Kein Zeitraum ohne Boot, kein Zeitraum mit zwei Booten. Da wird immer eines vernachlässigt. So ist alles perfekt. Auch die Käufer sind am nächsten Tag zufrieden. Erst eine lange theoretische Einführung an Bord. Dann eine kurze Pause für sie. Dann noch ein ausgiebiges Probesegeln. Aufregend für sie als Segelneulinge. Entspanntes Verabschieden vom Boot für mich. Ohne jeden Wehmut. Es war eine tolle Zeit. Auch als ich später am Samstag und am Sonntag an dem Boot vorbei gehe, kein Wehmut, sondern Freude, dass das Boot offensichtlich wieder in gute Hände kommt. Es ist ein versöhnlicher Abschied auch der Zeit mit Isabella. 

Die Zukunft liegt vor mir: Sie ist französisch. Eigentlich hätte ich das Boot Jeannie nennen sollen...

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