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Lessons to learn -was vom Törnende übrig blieb…

Natürlich war wieder knapp 2 Stunden vor Niedrigwasser, als ich morgens kurz vor halb sieben aus Norderney aufbrach. Die Sonne war schon deutlich über dem Horizont, Wind nur mäßig vorhanden. Für den Schluchter hatte ich keinen Mut, das hätte mit mehr Sicherheit nicht gepasst, als dass es gut gegangen wäre. Also wieder das Dove-Tief zurück. Wind aus Ost, also konnte an der Tonne D6 das Segel hoch. Motor aus und weiter gings als Segelboot. Auch jetzt waren wieder viele Fischer unterwegs. Hinter der Zufahrt zum Dove-Tief dann Kurs auf W/SW -und schon war man im Entschleunigungsmodus. Wenig Wind von hinten ergab mit 1kn Strömung 4-4,8 kn Geschwindigkeit. Ein kurzer Rundumblick und meine Entscheidung war gefallen: Durch die Motorfahrt war der Boiler heiß -ich dusche das erste Mal während der Fahrt! Ein befreiendes Erlebnis. Die Schräglage hielt sich in Grenzen, das Wasser war heiß und ich fühlte mich wie neu geboren. Den Plotter habe ich zum Niedergang hin gedreht, so kann ich die Fischerboote aus dem Salon kontrollieren. Das Wasserabsaugen ist durch die Bootsbewegung spannend und bedarf ein wenig Fußnachhilfe -alles kein Problem. Bestgelaunt und bei strahlender Sonne genieße ich den Tagesbeginn. Zwischendurch ruft auf Kanal l6 jemand ein Fischerboot auf Englisch, das sich erst bei mehrfachem Zuruf meldet. Es folgt eine Warnung, sofort den Kurs zu ändern, da es geradewegs auf ein Kabel zufahre. Antwort kam keine…

 

Die Folge war ein abwechselndes Segeln und Motoren, da bei 3-4 kn Fahrt unter Segeln und 1-2 kn Gegenstrom nicht genug Geschwindigkeit für den langen Schlag nach Vlieland blieb. Aber auch heute war der Sonnengott auf meiner Seite und beschenkte mich den gesamten Tag üppig. Trotz Sonnencremes hat er deutliche Bräunungsspuren in den Tagen hinterlassen. Dann wurde langsam klar, dass ich Vlieland erst gegen 1-2 Uhr morgens erreichen werde. Gleichzeitig verändert Windfinder seine Windvorhersage auf die Zeit von 20-24 Uhr auf 21 bis 29 kn. Ich werde langsam etwas nervös. Weniger wegen des Windes. Da habe ich schon mehr erlebt und den kann man gerade von achtern durchaus probemlos mit Reff weg stecken. Aber die Wellen. Hier fehlt mir bisher jedes Gefühl für das Verhältnis von Wellen, Boot und mir und dem optimalen Zusammenspiel. Gegen 19 Uhr bereite ich das Boot vor, setze die beiden Zweileinenreffs (siehe erstes Foto, auf die Segellatte unten im Vergleich zum nächsten Foto achten) und binde schließlich noch das dritte Reff ein (zweites Foto). Das reichte vor dem Wind noch für 4-5 kn und im Endspeed abhängig von der Mit-/Gegenströmung. Rettungsweste an, Lifeline bei dieser eingehängt. Ich war auf der Höhe Ende Schiermonnikoog/Übergang zu Ameland. Die niederländische Küstenwacht meldet sich auf Kanal 16 auf deutsch, verkündet dass (ich meine für ein Boot namens Jumbo?) die Rettungsschiffe aus Schiermonnikoog ausgelaufen und in ca. 10 Minuten da sind und man solle kurz durchgeben, wie viele Besatzungsmitglieder an Bord sind. Antwort höre ich keine, sehen kann ich mit Fernglas auch nichts. Zu dem Zeitpunkt haben wir zwischen 19 und 21 kn Wind. Und vor allem werde die Wellen höher. Ich versuche leichten Schrägkurs zu fahren, um die Wellen etwas seitlich drunterher rollen zu lassen. Boundless neigt sich in den Wellen für mich bedenklich teils extrem zur Seite. 1,6 t Schwenkkiel sind auf 2,55 runter gelassen. Aber die Bootsbewegungen sind mir in der Heftigkeit neu. Teilweise niedrigere Wellen in kürzerer folge werden plötzlich durch zwei drei doppelt so hohe Wellen (max. ca. 1 m) in minimal längerer Folge unterbrochen. Gut, dass der EVO200 zuverlässig steuert. Ich halte mich fest und beobachte mit flauem Gefühl das Wellenbild. Die ankommenden Wellen, die auslaufenden Wellen. Wie die Schaumkronen immer mehr zunehmen, breiter werden. Mehr tun kann ich eigentlich nicht. Ich hänge nur in der Luvecke im Heckkorb, von wo aus ich Ruder, Großschot und zur Not auch den Motor bedienen kann. Stundenlang. Wirklich weg traue ich mich aus der Ecke nicht weg, weil ich das heftige Schaukeln für das Zurückhangeln fürchte. Als es dunkel wird, fühle ich mich hilfloser, weil ich die Wellen nicht mehr sehen kann. Zum Glück bleiben die Böen bis 29 kn aus, die Spitze liegt bei gut 23 kn – immer voraus gesetzt, mein Windanzeiger von Raymarine ist vom Voreigentümer irgendwie gut eingestellt worden. Aber es erscheint mir auch realistisch. Dabei heißt für mich nur weniger starker Wind = weniger heftige Wellen.

 

 

Nein, Angst habe ich nicht. Es ist einfach das Unwohlsein vor Unbekanntem. Das Schiff verhält sich vorbildlich und strahlt Sicherheit für mich aus. Es ist auch kein grobes Knarren zu hören, nur hin und wieder das Schlagen des Rumpfes in den Wellen oder von unten gegen den Rumpf schlagende Wellen. Zweimal schlägt eine Welle von hinten zwischen Badeplattform und Cockpitboden und spritz ein wenig auf diesen. Ansonsten gibt es nur zwei-, dreimal überkommende Gischt. Alles harmlos. Die doch heftigen Schaukelbewegungen sind aber definitiv nicht mein Ding. die Sequenz ist zu kurz. Aber kein Schapp springt auf, nichts geht kaputt. Nichts löst sich. Alles so, wie ich mir ein vertrauensvolles Schiff vorstelle. Wahrscheinlich war das einer der Lerneffekte der Tour.

 

Dann ist das Gatt zwischen Terschelling und Vlieland erreicht, es ist 1.50 Uhr. Genau hier flaut der Wind für ein paar Minuten auf 15-18 kn ab. Was tun? Die vorschriftsmäßige betonnte Route nehmen? Es ist gerade Hochwasser wenige Minuten her, der Wellengang ist aktuell ca. 50 cm -ich beschließe die Abkürzung von der Hinfahrt zu nehmen. Mit einer gewissen Watterfahrung von meinem alten Boot, genauem Kartenstudium und Berücksichtigung von Hochwasser und Bootstiefgang (den Schwenkkiel habe ich gerade hoch gefahren auf 1,27 m Tiefgang) wage ich es. Das Unglück letztens der vier Segler mit Bootsverlust im Kopf, aber ich war hier bei der Hinfahrt mit weniger Wasserstand durch, dann klappt das jetzt auch. Und die Wassertiefe fällt auch nicht unter 4m, wie ich seit gestern weiß, von unter dem Kiel gemessen. Also reichlich. Nur die Abdrift ist durch den Wind phänomenal. Laufend korrigiere ich den Autopiloten um 9er Schritte (meine Glückszahl ist 3 und alles durch das Teilbare…). Und dennoch fällt die neue Kurslinie laufend kürzer aus.

 

Mir war klar: Ab hier beginnt die Tortur der Tour. Denn jetzt ist Ebbe. Trotz Motor auf viel mehr Drehzahl, als ich sonst gebe, aktuell ca. 2.800, komme ich nur mit 2,5 – 3 kn voran. Der Wind kühlt trotz bester Kleider ständig mehr aus. Die Konzentration ist auf Hochtouren, weil man wegen der Dunkelheit kaum etwas sieht. Das Gatt ist dann nach gut einer Stunde problemlos, nur halt langsam, geschafft, die wahre Herausforderung kommt jetzt. Ich suche meinen Kurs durch das Watt nach Lichtern, Gefühl und Plotter. Vlieland habe ich fallen gelassen. Bei der aktualisierten Wettervorhersage müsste ich dort 4-5 Stunden nach Festmachen schon wieder weg, da kann ich auch gleich durchfahren nach Kornwederzand. Dunkelorange fängt sich jetzt der Mond langsam den Horizont herauf in den Himmel zu schieben. Das Watt ist bis auf die Lichter pechschwarz. Egal ob mit Auge oder Fernglas -es ist mehr raten, als sehen. Manchmal denke ich, ein Frachter ist an der Seite, weil die Lichter auch von der Entfernung häufig nicht abzuschätzen sind, weil es so schwarz ist, dass man den Unterschied von Wasser und Gegenständen nicht erkennen kann. Ich habe Sorge, unbeleuchtete Tonnen zu überfahren und tatsächlich habe ich eine nur im letzten Moment nicht erwischt. Die hätte ich fast mit der Hand putzen können… Die Konzentration ist hoch und ermüdend, ich bin ja auch schon gleich 24 Stunden unterwegs. Es wird bitterkalt, trotz guter Zwiebelausrüstung. Der Wind bläst scharf mit 18-20 kn von der Seite und müht sich, es mir möglichst unangenehm zu gestalten. Aber ich bin dankbar, dass es trocken ist. Sehr dankbar. Auch als es gegen 6 Uhr langsam hell wird, lassen sich durch das ablaufende Wasser viele Stellen nicht klar erkennen. Und wer es einmal erlebt hat: Niedrigwasser im Umfeld von Harlingen führt zu Wassererscheinungen, als würde das Wasser kochen. Oder als wäre ein riesiger vibrierender Fischschwarmteppich unter der Oberfläche. Mit durchaus Auswirkungen auf Geschwindigkeit und Bootsbewegung. Die Stellen sind jeweils nur kurz, nichtsdestortrotz aber eindrucksvoll. Auch im Watt muss ich ständig auf Fischer achten, die dies- und jenseits der Fahrwasser ihre Linien ziehen. Aber um 7.40 Uhr ist die Hafeneinfahrt Harlingen erreicht und um 09:05 Uhr bin ich im Schleusenvorbecken. Ich frage höflich nach, ob ich festmachen soll, oder bald geschleust wird. Nein, außer mir ist sonst keiner da. Ich erhalte also umgehend eine Privatschleusung. Die Doppelbrücke dreht nur für mich und in der Schleuse kann ich mir aussuchen, wo ich festmache. Obwohl das nicht notwendig wäre, denn es ist ja kurz nach Niedrigwasser und damit fast keine Wasserdifferenz auszugleichen in der Schleuse. Um 9:20 Uhr bin ich durch und um 9.45 Uhr liege ich in Makkum genau in der Box, von der aus ich am Samstag um 7.55 Uhr nach Helgoland gestartet bin.

 

Ich bin dankbar, wirklich dankbar, dass den gesamten Törn über keinerlei Niederschlag fiel. Dass die Sonne den gesamten Tag von morgens bis Abends mit begleitet hat. Gerade alleine und das erste Mal sind das positive Impulse, die die Anstrengungen doch viel leichter machen. Bis auf die Heizung hat alles perfekt funktioniert. Das Boot und ich passen zueinander, wir ergänzen uns super und es ist irgendwie alles so und da, wo ich es haben will oder brauche. Das einfache Duschen, die Bewegungsabläufe im Bad, die Cockpitergonomie, das passt. Keine technischen Ausfälle beim Boot (Heizung ausgenommen) schaffen Vertrauen. Kein Knarren, wo man es nicht hören will.

 

Für Freaks die Fakten:

Samstagmorgen ab Makkum 7:55 Uhr, an Helgoland Sonntag 15:25 Uhr, alleine und durchgesegelt, 163,3 sm, davon 22,1 h motort (einschließlich Häfen und Schleuse)

Montag Helogland 10:20 Uhr ab, Norderney 20:15 Uhr an, 41,12 sm, nur 2,2 h motort -das ist gerade aus dem Hafen und um Norderney die Anfahrt durchs Dove-Tief

Gestern 6:28 Uhr ab Norderney, 127 sm, 13,1 h motort, Makkum am Startliegeplatz heute 9:25 Uhr wieder zurück

 

 

 

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