Segeln -mit ohne und mit mit Wind

Das erste Wochenende mit dem neuen Boot. Neue Dimensionen, aber ein Ziel: Segeln! Das geht nur, wenn man den eigenen Liegeplatz verlässt. Samstag war zwar kein Wind vorhergesagt, aber das kann zum Üben auch ganz gut sein. Also vorsichtig raus aus der Box. Völlig ungewohnte Dimensionen, der Kanal wird von der Breite ganz schmal, aber es klappt ohne jedes Problem. Das sind die Aktionen, wo man keinen Wind haben will. Vor der Schleuse dann das übliche Urlaubschaos von Crews, die nicht wirklich wissen, was sie tun, geschweige denn, tun sollen. An der langen Spundwand zum Warten lässt jeder genau eine dreiviertel Bootslänge zum Vordermann, statt aufzuschließen, so dass nur die Hälfte der Boote Platz findet. Der Rest hält sich in der Zufahrt, dreht Kreise, achtet darauf, dass keiner drängelt usw. Auch in der Einfahrt der Schleuse drängelt sich ein Motorboot noch rechts an uns vorbei, zwingt mich nach Backbord, den hinter mir dann nach Steuerbord und das Chaos ist perfekt. Aber auch diese Schleusung klappt schlussendlich ohne Schäden. Und vor der Schleuse habe ich schon einmal wagemutige Vorkehrungen getroffen. Ich habe den langen Sack aus der Backskiste gezerrt, an Deck gebracht und den Code 0 ausgepackt und angeschlagen. Code 0 ist das, was früher eine große Genua war, nur viel leichter vom Material her. Während meine Fock eine 110% Größe hat, ist der Code 0 deutlich größer. Also genau das richtige für wenig Wind. Den Gennacker, der dabei war, habe ich Zuhause stationiert -den Mut hab ich diese Saison noch nicht. 

Schon die Montage war sehenswert, weil nur hochwertigste Komponenten verbaut sind, einschließlich des Facnor endlos Rollers. Beim Hochziehen sehe ich, dass keine Schoten am Code 0 sind -ah, da war doch noch ein Päckchen in der Backskiste. Richtig. Ein funkelniegelnagelneue Schoten. Also eingepickt, den Code 0 ganz hoch und die Endlosrollerleine nach hinten gelegt. Hier muss ich mir noch Führungsrollen zum Einklippen besorgen, um das zu vereinfachen. Aber es ist alles bereit. Und hinter der Ecke zum Ijsselmeer dann der große Moment des ersten Ausrollens. Das Titelbild vom Blog zeigt ihn, den Code 0. Und wer auf das Wasser achtet, sieht, dass es fast spiegelglatt ist. Leichte Wellen durch die Motorfahrt, sonst nicht spürbarer Wind. Dann zum Test den Motor aus. Und was soll ich sagen. Sanft und leicht gleitet die Boundless mit 2-3 kn dahin. Sensationell. Bei so wenig Luftbewegung unfassbar. Dem speed ist es auch egal, dass ich dann nach kurzem das Groß dazu nehme. Aber ich will die Segel testen und in die Bedienung hinein kommen. Hinter uns sind auch Segel gesetzt, aber zum ersten Mal werden wir nicht überholt. Sanft aber beständig wird der Abstand zu den Yachten hinter uns groß und größer. Ich verbringe das erste Wochenende mit meinem ältesten Sohn, der zur Unterstützung und zum Genuss dabei ist. 2-3 kn sind der ideale Speed um die Badeplattform auszuklappen. Mit viel Genuss wird sie als Sitz zum Abkühlen der Füße genutzt. Sofort verstehe ich, welchen Wert sie hat, obwohl ich sie mir so nie bestellt hätte, wenn sie nicht dabei gewesen wäre. 

Nach zwei Stunden briest es leicht auf und bevor ich mich versehe stehen 6 kn auf dem GPS. Ich rolle den Code 0 ein, nehme ihn herunter und rolle die Fock aus. Der Speed bleibt und nur, wenn ich zu hart an den Wind gehe, sinkt er knapp ab. Ich staune, mit welcher Leichtigkeit das Boot mit seinen gut 5,5 t über das Wasser gleitet. Während die Lenkung extrem leichtgängig ist und das Boot perfekt auf dem Ruder liegt. Auch wenn man das Rad los lässt, bleibt das Boot in der Spur. Sehr gut. So ist das Ijsselmeer schnell gequert und Enkhuizen in Sicht. Die Leichtigkeit mit der alles funktioniert beeindruckt mich und gibt mir viel Vertrauen und Sicherheit. Es ist die ideale Bootsgröße für mich. Das Handling klappt für das erste Mal weit besser, als erwartet. 

Im Compagnieshaven haben wir dann das Glück des Tüchtigen. Es gibt nur extrem wenige Boxen mit Seitensteiger,  und wir bekommen eine zugewiesen. Damit geht auch das Anlegen so einfach, wie erhofft. Langsam und in Ruhe dreht das Boot willig und sofort, wohin ich will. So sind Manöver gern gefahren. 

Erst jetzt wird die Hitze drückend, wo der Fahrtwind fehlt. Aber es geht und der Abend klingt gemütlich aus.

Am Sonntag war dann 3-4 Bft angesagt, genau aus Lemmer kommend. Schlechter geht kaum, aber auch das Ablegen klappt sehr gut. Langsam bekomme ich ein Auge für die Länge und übe den richtigen Drehwinkel. Da uns schon vereinzelte weiße Schaumkronen erwarten lasse ich das Groß im 2. Reff und rolle nur die Fock ganz aus. Vorsicht ist die richtige Devise. Ja, das Boot kann mehr, aber noch sind wir in der Kennenlernphase... Und schon geht es strack auf 6 + x kn. Wenn ich nicht so hoch am Wind gefahren wäre, wir hätten locker die 7 kn geknackt. Aber wir wollen ja aufkreuzen und so bleibt es bei hart am Wind. Auch jetzt verströmt das Boot das wichtige Gefühl von Stabilität und Sicherheit. Die Wende klappt und auch dieses Manöver wird mit jedem Üben einfacher. 

Die letzte Stunde motoren wir gegenan, weil die Bucht hier sehr eng ist und sehr viele Segler uns aus Lemmer entgegen kommen. Das schmälert die Freude am Segeln zuvor um nichts. Über den Rest hülle ich dann den Mantel des Schweigens. Bei starkem Seitenwind kommen wir vom Schleusenwartesteiger nicht wirklich weg und ich habe ernsthafte Bedenken auf Bruch. Beim nächsten Mal warte ich, bis der hinter mir weg ist und mache das Manöver rückwärts. Und nächstes Jahr mit dem im Winter eingeplanten Bugstrahlruder wird dann dieser Schreiben weg fallen.

Zurück an der Box lenke ich ein, bin fast halb in der Box, da crasht mich eine heftige Bö an den steuerbordseitigen Heckpfahl. Der ist unsinnigerweise im Winter in quadratisch, statt rund erneuert worden. Holz splitter und ich habe große Befürchtungen. Sofort springe ich von Bord und schaffe es, das Boot vom Steg aus seitlich zu stabiliseren und dann langsam nach vorne in die Box zu ziehen. Die Bö ist weg, jetzt geht das wieder. Zum Glück ist außer ein paar Holzfarbspuren an der Seitenkante nichts zu sehen. Kein Gelcoatschaden. Das Boot scheint stabil gebaut...

Ein tolles Wochenende liegt hinter mir. Weit besser, als erhofft. Die Liebe auf den ersten Blick wird innig. Die Vertrauensbasis ist gelegt. Der ehrfurchtsvolle Respekt weicht immer mehr Freude. Der Blick nach vorne ist hell und positiv. Der Name ist Programm.

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Kommentare: 1
  • #1

    Chr.Engels (Freitag, 21 August 2020 09:59)

    Herzlichen Glückwunsch zu diesem Boot.All Zeit Gute Fahrt.