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Holpriger Start in den Urlaub...

Meine erste Urlaubswoche dieses Jahr sollte etwas Besonderes werden. Ich wollte, so die Winde es zulassen, Nordseeluft schnuppern. Und das geht am Besten Richtung Helgoland. Nur das Schicksal meint, das ist noch nichts für mich.

Denn seit Freitag haben wir Wind aus Nord/Norost auf dem Ijsselmeer. Ich müsste aber schon oben rechts bei Makkum die Schleuse Kornwerderzand nehmen, um über die Waddensee auf die Nordsee zu gelangen. Zu aller Crux ist der Wind dann auch noch bei 4-6 Bft. Da am Samstag sowieso morgens auf Kanal 01 eine Unwetterwarnung vor 6 Bft war, habe ich den Tag mit Vorbereitungen verbracht. Regenschauer fegten über das Land. Alles eher ungemütlich. Sonntagvormittag war es trocken, aber sehr windig. Also bin ich erstmal mit dem Auto nach Harlingen gefahren. Serh windig, aber nicht durchgängig weiße See -nur ein paar Schaumkronen. Das kann dann nicht so schlimm sein. Also zurück. Das Boot fertig gemacht und raus aus der Box. Perfekt. Ran an die Schleuse -außer mir nur ein Boot da, zwei weitere kamen noch. Gegen 14 Uhr war die Schleuse hinter mir. Vorsichtshalber zweites Reff, sind ja 4-5 Bft angesagt. Was für ein Ritt. Die 6 Bft lagen schnell an und immer wieder wurden die 7 Bft durchbrochen. Viel Wind, aber kein unsicheres Gefühl. Der Autopilot funktioniert top. Alles bestens. Nach gut 3 Stunden lag Stavoren knapp querab. Der Wind wehte jetzt aus NO und Makkum seglerisch nicht wirklich zu erreichen. Zudem hatte der Wind auf 6 Bft zugelegt und die Wellen hatten mittlerweile Ijsselmeerhöchststand. Also probieren, die restlichen 12,5 sm nach Makkumg gegenan zu motoren. Motorpanel an, vorglühen, und Start. Ein kurzes Aufblinken, dann geht das Motorpanel wieder aus. Der Motor macht keinen Mucks. Auch weitere Versuche schlagen fehl. Bei den aktuellen 6 Bft war das nicht lustig. Hastig überlege ich, ob ich irgendwo seglerisch anlegen kann. Stavoren schied dazu aus, keine geeignete Einfahrt. Lemmer könnte gehen in dem Hafenkomplex vor der Anlage Friese Hoek. Also zurück. Wieder drei Stunde wilder Ritt mit großem Bangen, ob ich mit dem Wind den Winkel nach Lemmer schaffe. Nein, PanPan Hilferuf wollte ich nicht absetzen. Irgendwie musste es gehen. Aber was, wenn nicht? Den Gedanken verdrängte ich. Aber auch ich bin nicht hilfsresistent. Ca. 300 m vor dem Hafen, es wurde schon dunkel, sah ich einen Tri, der auch seine Segel runter nahm und offensichtlich nach Lemmer rein wollte. Ich hatte nur noch das Vorsegel draußen, musste aber manuell lenken. Das einzige, um auf mich aufmerksam zu machen, war das Winken mit der Kopflampe, die ich auf hatte, weil ich vorher nach dem Motor gesehen hatte. Das Schicksal meinte es gut mit mir. Sie sahen mich, nahmen mich in Schlepp, obwohl kleiner und schwächer motorisiert, und ließen mich an dem Tankstellensteiger von Friese Hoek anlegen. Was für ein Glück. Das wäre realistisch gesehen unter Segeln nicht zu machen gewesen, weil hier Gegenwind war und für Kreuzen kaum Raum für mich. Aber da lag ich jetzt sicher. Erst mal schlafen. Enttäuscht und sorgenvoll legte ich mich hin. 4 Uhr morgens war Schluss -starke Kopfschmerzen weckten mich. Natürlich hatte ich die Tabletten zu Hause, da ich auf dem Boot noch nie Kopfschmerzen hatte... Gegen 6 konnte ich noch etwas schlafen, um dann um 8 aufzustehen. Da mein Händler erst um 9 aufmachte, dachte ich noch ein wenig nach. Und mir wurde klar, dass es nur 2 Ursachen sein konnten: Anlasserdefekt oder Batterie kaputt. Ein Blick auf die Batterieecke zeigte: Das Pluskabel der Starterbatterie reichte von der Länge genau an den Hauptschalter der Verbraucherbatterie. Eine Minute später war es ab und dort dran. Ein sorgenvoller Gang nach draußen, vorglühen, Starterknopf. Sofort sprang der Motor an. Die Starterbatterie von 2015 hatte also morgen noch den Dienst getan, dann aber ihren Geist aufgegeben. C'est la vie. Aber zum Glück kein Defekt, für den ich Fachhilfe brauchte oder gar einen neuen Anlasser. Das Geschäft im Hafen hatte keine passende Batterie, konnte aber eine bestellen, die eine Stunde später da war. Teuer, aber was kann man tun. Jedenfalls war mein Vertrauen in den Motor nicht zerstört. Und dass eine Batterie nach 6 Jahren den Geist aufgibt, kommt vor. Die Verbraucherbatterie hatte ich ja gerade erst gegen eine LiFePO4 getauscht -zum Glück, die waren auch von 2015!

Langsam kehrte die Urlaubsfreude zurück. Und da nur 3-4 Bft angesagt waren, los, nächster Anlauf! Der Händler hatte gesagt, ich solle erst eine Weile motoren, nach dem ersten Start -kein Problem. Die Verbraucherbatterie hatte seit 3 Tagen keinen Landstrom und kaum Solarstrom gesehen, so wird diese wenigstens auch geladen. Bei Leerlauf mit ca. 30 A, bei 2100 U/min, meine Marschgeschwindigkeit von ca. 5,2 kn bei ca. 1,5 l/h dann sogar 100A! Da die Lichtmaschine 115A hat, also volle Leistung -der Rest ist für die Starterbatterie.

An der Schleuse vorbei und dann die Segel gesetzt. Zunächst mit erstem Reff -Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Dann ausgerefft. Und ab ging die Post. Auch heute wurden die 7 kn häufig überschritten. Aber der Wind wurde auch stärker. Und stärker. Nach gut 2 h waren wir bei durchgehend 19-22 kn = 5-6 Bft. Das Ijsselmeer wurde weiß vor Schaumkronen. Leider auf Fotos nicht gut darstellbar. Aber es wurde so heftig, dass ich nach allen Reffstufen dann das Großsegel ganz weg nahm. Das war noch zuviel. Also das Vorsegel ein Stück eingerollt. Mit kaum Tempoverlust flog ich mit 5,5 - 6,5 kn über und durch die Wellen. Da der Wind nicht abnahm war klar: Makkum ist nicht anzusegeln. Und gegen den Wind und die Wellen motore ich nicht. Ist ja ein Segelboot! Also geradeaus weiter, nach Medemblijk. Zwischendurch sank die Geschwindigkeit auf 4,8 - 5,4 kn, macht nichts. Trotz des Auf-und-Abs der seitlich durchrollenden Wellen fühlte ich mich völlig sicher. Es ist das perfekte Boot für mich. Überall Handgriffe für sicheres Gehen und Arbeiten auch bei Schräglage. Wegen Klemmens der Reffleine gehe ich zum Mast -völlig ohne Problem. Unter Deck Essen holen -kein Problem. Alles ist ruhig und strahlt Sicherheit aus. Auch Schräglagenattacken durch die Wellen sind völlig unproblematisch. Hinter mir nimmt ein Boot erst das Vorsegel, dann das Groß weg und motort in die andere Richtung. Gegen die Wellen! Viel ist nicht los, aber ein Dreimasterplattbodenschiff ist voll in seinem Element.

Dann steigt die Nervosität. Die Hafeneinfahrt nach Medemblijk ist eng, sehr eng, und schwer zu finden. Der Motor springt sofort an, ich lege die Fender aus und kämpfe ich unter Motor bis zum Hafen. Viel anstrengender, als unter Segeln. So ein Segel stabilisert ungemein. erleichtert passiere ich die Hafeneinfahrt, biege links in den ersten Hafen ab, erhalte die Boxnummer zugerufen und arbeite mich langsam an den Stegreihen vorbei. Das härteste steht jetzt vor mir. Mit nicht unerheblichem Seitenwind in die Box. Die Boxengasse ist gerade so breit, wie mein Boot lang ist, so dass ich nicht mit großer Kurve das Boot vorher gerade ziehen kann. Es wird ein wildes Arbeiten mit Bugstrahruder, leichtem Vorwärtsgang, heftigem Rückwärtsgang, um das Heck gerade zu ziehen, wieder Vorwärtsgang, dazwischen immer wieder leichte Bugkorrektur mit dem Bugstrahlruder. Ohne wäre es nicht alleine gegangen. Dann bin ich drin. Heckleine über den Heckdalben und fest. Dann nach vorne, beide Seiten fest machen, hinten korrigieren, vorne anpassen, wieder hinten etwas länger legen, vorne festmachen, hinten fest machen -fertig. Ich liege fest. Keinen gerammt, selbst nirgendwo gegen gefahren. Ich bin fertig, aber glücklich. Es war ein ereignisreicher Segeltag, an dem ich viel mit dem Boot gelernt habe. Vor allem: Vertrauen. Und ich freue mich auf die nächsten Tage.

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Kommentare: 1
  • #1

    Rena (Donnerstag, 02 September 2021 22:13)

    Jaaa!! Super, entmutigen lassen gilt nicht- macht Spass zu lesen. Ich will auch!!!