· 

Letzte Etappe: Makkum

Heute also der letzte "große" Schlag: Norderney nach Makkum. Das Timing wird hier von der Tide in Norderney vorgegeben: Hochwasser ist 14.14 Uhr, also gehts um 14 Uhr los, damit ich nicht gegen den Strom fahren muss. In der Hauptfahrstrecke ist es bei der Länge dann egal, weil sich diese über mehrere Tiden erstreckt, da gleicht sich alles wieder aus. 14 Uhr passt mir perfekt, weil ich nach meinen Berechnungen dann gegen 6 Uhr morgens, also bei Helligkeit!, an der Einfahrt zur Waddenzee vor Vlieland sein müsste. Dort im Dunkeln durch habe ich einmal machen müssen -das ist alles andere als lustig, hochkonzentrativ und gerade Frachtschiffe schwer auszumachen, die weit auseinander gezogene Lichter haben.

Die Sonne verabschiedet mich. Also Leinen los, leicht vom Wind vom Steg weg treiben lassen und vorwärts gehts. Direkt vor mir biegt eine Breehorn 46 ein, also ein weitaus größeres Boot. Das gewinnt schnell im Fahrtdreh um die Westspitze an Abstand -größerer Motor, eiligere Fahrt. Ich setze hinter der Westspitze Segel -da moderate Winde angesagt sind, volles Groß. Schon ist der Motor aus und nur unter Segeln gleite ich parallel zum Strand entlang. Als das Fahrwasser quer zu diesem verläuft, hilft der Motor kurz noch einmal mit. Vor mir schwenkt die Breehorn nach Backbord, parallel zum Fahrwasser. Ich habe den Kiel schon unten, aber bei Hochwasser ist ja genug Wasser unter mir, so dass ich deutlich früher als die Breehorn zur Seite biege. Damit gewinne ich so viel Zeit, dass ich kurz darauf parallel zu ihr fahre. Zu meiner großen Überraschung hält das bis zum Ende von Juist an, erst dort vergrößert sich der Vorsprung der Breehorn auf ca. 2 sm, bis sie später direkt vor mir nach Borkum abbiegt, während ich geradeaus weiter segle. Normalerweise hätte sie viel schneller sein müssen, weil deutlich länger. Und sie hatte Vollzeug gesetzt.

Was sagt das dem geneigten Leser? Richtig: Der Wind lag schon wieder bei 17-20 kn und peitschte mein Boot voran. Ich hatte das volle Groß ohne Reff, weil ja weniger Wind angesagt war. Also übe ich und spiele mit dem Vorsegel. Ohne geht bis 21 kn. Aber die Kombi Groß und drittes Reff in der Selbstwendefock ist die meistgenutzte Kombi an diesem Tag. Ach ja, natürlich hatte es 20 Minuten nach dem Ablegen  den ersten 30-Minuten-Regen gegeben. Aber danach war trocken. Das sollte bis auf wenig Spray zwischendurch bis zur Waddenzeeeinfahrt auch so bleiben. Stundenlang sitze ich hinter dem Ruder und beobachte. Zupfe hin und wieder an der Großschot oder spiele mit dem Vorsegel. Die Wellen sind moderat und eigentlich ist es ein gar nicht schlechtes Segelmoment. Bis ich kurz vor dem Windpark Borkum bin. Bei weiterhin +/- 20 kn Wind baut sich binnen 1-2 Minuten von steuerbord, also der Nordseeseite kommend, ein weißes Wellenfeld auf. Die See ist komplett weiß. Kurze, schnell aufeinander folgende Wellen von 1-1,5 m ziehen unter meinen Boot durch, legen es auf die Seite oder knallen bereits brechend an meiner Breitseite entlang und entladen ihre Gischt über das gesamte Boot samt mir. Es ist surreal. Bedrohlich, überraschend, überhaupt nicht vorherzusehen, aber auch jetzt kommt kein Gefühl von Gefahr auf. Boundless nimmt die Wellen ruhig und lässt sich im Kurs nicht wirklich beirren. Der Autopilot leistet auch hier mehr, als ich es könnte. Aber für jemanden wie mich, der so ein Schauspiel nicht gewohnt ist, kommt schon eine leichte Unruhe auf, weil man nicht weiß, was passiert. Und warum.

Aber genauso schnell, wie es gekommen ist, ist es schon wieder vorbei. 15-20 Minuten. Dann ist das Wellenbild wieder normal und weist die üblichen Schaumkronen für die 4 Bft TWS aus, die sich nur durch meinen Kurs von 40-60° auf 18-20 kn scheinbarer Wind addieren.

Durch den Kurs logge ich auch heute wieder strombereinigt seltenst unter 6 kn, meistens 6,5-7,5 kn. Mit Strom dann auch mal einige Zeit über 8 kn. Dafür wird dann später aus 6 kn Fahrt durchs Wasser nur noch 4,8 kn Fahrt über Grund. So ist das mit der Tide.

In der Nacht geht der Wind dann so stark zurück, dass ich den Motor dazu nehmen muss. Aber das war auch so vorhergesagt. Zudem dreht der Wind um über 120° bis zum Morgen. Aber kein Problem und genau das Richtige, um gemütlich die 20 Minuten sich auszuruhen. Nur der Bereich zwischen Schiermonnikoog und Ameland ist anstrengend: Die Vielzahl der Lichter der Zufahrt nach Lauwersoog, die Gasplattform dahinter vor Ameland, die ganzen weiteren beleuchteten Tonnen, das Problem, die Entfernung in der Nacht nicht abschätzen zu können, das alles lässt mich nicht ruhen sondern konzentriert zu sortieren, um nicht noch gegen eine Tonne zu knallen. Aber auch das geht vorbei und dann kehrt Ruhe für die Nacht ein.

Morgens bin ich um 05.50 Uhr an der Einfahrt vor Vlieland zur Waddenzee. Praktisch wie geplant. Um ca. 06.16 ist Niedrigwasser. Ich werde also bald von der Flut profitieren und Schub von hinten erhalten. Der Wind hat mittlerweilen auf S/SSW gedreht und weht mir mit 13-15 kn TWS, also für mich wieder 18-21 kn AWS entgegen. Als es genau gegenan geht, ziehe ich direkt das zweite Reff ein, um für alles gut gerüstet zu sein. So wird es wegen der Windrichtung und Windungen eine Mischung zwischen Segeln, Beimotoren und Motoren. Es ist noch früh, aber die Fähren Schnellfähren brausen schon von Vlieland und Ameland durch das Fahrwasser. Eine normale Fähre wird mir kurz vor dem Steinwall in der unmittelbaren Zufahrt vor Harlingen zum Verhängnis. Hier wechselt das Sportfahrwasser auf die andere Fahrwasserseite -eben wegen dem Steinwall und der erheblichen Gefahren dort. Ich will frühzeitig wechseln, aber eine normale Fähre fährt im Fahrwasser. mit 18 kn, ich mit 7-8 kn. Es naht die letzte gelbe Sportfahrwassertonne. Ich überlege kurz, um 180° zu wenden, ein Stück zurück zu fahren und dann hinter der Fähre durch, weil sie wohl nicht schnell genug vorbei fährt (ca. 18 kn), damit ich gefahrlos wechseln kann. Ich schaue auf die Fähre, nehme Kurs von der letzten gelben Sportfahrwassertonne zur roten Fahrwassertonne, schaue wieder auf die Fähre -ein Ruck und ich sitze auf. Mit 1,3 m Tiefgang! Sofort versuche ich alles: Rückwärts, wenig Gas, viel Gas, die Strömung schiebt, ich schaffe es, das Boot im Vorwärtsgang etwas auf der Stelle zu drehen -aber das wars. 10 Minuten Versuche und ich breche ab, lasse den Motor in gemäßigter Drehzahl rückwärtzs laufen und denke nach. Hilfe rufen? Wen? Wie? Anker und warten bis das Wasser steigt? Es müssten noch 2-3 Stunden vor Hochwasser sein, da dürfte noch genug Wasser kommen. Ich verfluche den ersten Moment, das ich die Idee 180° zu wenden und sicher hinter der Fähre zu passieren, nicht umgesetzt habe. Die erste Idee ist immer die beste! Aber es hilft nicht. 10 Minuten später entschließe ich mich vorsichtlich nochmal zu testen. Vorwärtsgang, stark nach steuerbord gelenkt, viel Gas. Das Boot dreht sich langsam. Dann die Böe. Eine deutliche Mehrkrängung, das Boot fährt ein Stück in Fahrtrichtung. Ich gebe richtig Gas. Langsam schiebt sich das Boot Richtung Fahrwasser. Dann noch ein, zwei Windstöße und ich bin frei. Der Schweiß steht mir auf der Stirn. Gut, dass die Ruder deutlich weniger tief gehen, als mein Kiel in oberster Stellung. Gut, dass ich Welle habe, die auch deutlich höher liegt. So laufe ich hier keine Gefahr von Schäden. Und ein paar Kratzer durch den Sand am Kiel stören keinen, zumal für nächste Woche schon das Auskranen und neues Antifouling vereinbart sind.

Das war dann auch genug thrill für mich. Das Fahrwasser ist frei, ich wechsle und brauche ein paar Minuten, um wieder zu mir zu finden. Ich bin einfach nur dankbar, dass es so gut und einfach ausgegangen ist.

Die restlichen ca. 6 sm von Harlingen nach Kornwerderzand zur Schleuse sind dann eine Tortur, weil die Strömung mit teils 3 kn gegenan läuft. Ich komme bei 5,5 kn Fahrt nur auf 2,3 - 3 kn Fahrt über Grund. Aber auch das ist bald geschafft, ich habe Glück, muss nur mit drei anderen Booten 5 Minuten vor der Schleuse warten und bin um 11.45 Uhr wieder im Ijsselmeer. 12.20 Uhr mache ich in Makkum fest. Nach gut zweiundzwanzigeinhalb Stunden seit Norderney.

Ich bin sehr dankbar. Die Wetterfenster für die Inseln waren perfekt. Das Wetter auf Sylt, Amrum, Helgoland und Norderney war toll -immer mit langen Sonnen- und Trockenperioden. Für zwei Wochen war das eine super Ausbeute. Bisher weist der Track 442 sm aus, 30 kommen morgen nach Lemmer noch dazu.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0