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Leinenarbeit -fast fatal...

Eigentlich war dieses Wochenende keinen Blogeintrag wert. Samstag bis kurz vor Urk gesegelt und wieder umgekehrt, um dem heftigen Regen, der ab 14 Uhr angesagt war (aber dann nicht kam), zu entgehen und zurück in den Heimathafen, weil am Sonntagvormittag bis Mittags Wind mit 28-30 kn angesagt war. Too much um zurück zu segeln. Also ein wenig Teakreinigung mit Bocarol und gemütlich den Nachmittag am Samstag genossen. Gegen Abend kamen zwei junge Männer mit einer Bavaria 33 Charteryacht aus Lemmer und legten rückwärts in der Box neben mir an. Offensichtlich nicht wirklich erfahren, aber perfekte Leinenarbeit. Zu zweit arbeiteten sich die beiden millimeterweise vorbildlich rückwärts in die Box links neben mir. Mit dem einen oder anderen Kleintipp wie Achtung auf einen nicht eingeholten Fender, wirklich vorbildlich.

Heute vormittag hörte ich sie die Weiterfahrt vorbereiten. Ich bin dann vorsorglich raus, sicher ist sicher. Es war nicht sehr starker Wind ungefähr auf die Box bezogen mit 30° von Backbord (von ihrem Boot aus gesehen). Ich hätte also als Alleinsegler vorne die Leinen gelöst, wäre nach hinten, hätte dort die Leinen gelöst und wäre entspannt vorwärts raus aus der Box nach Backbord Richtung Ausfahrt Hafen. Kein Ding. Problemlos und gemütlich auch alleine erledigt.

Und hier begann dann das Dilemma -die Abwägung Kopf gegen Lernen verlor der Kopf. Einer ging nach vorne und nahm die vorderen Leinen stramm in die Hand. Der andere ließ den Motor an und nahm beide Heckleinen in die Hand. Beide waren von den Heckklampen in Verlängerung der Längsachse des Bootes hinten am Steg um je eine Klampe gelegt. Sie konnten also nur verhindern, dass das Boot nach vorne treibt, was es aber wegen des leichten Gegenwindes nicht konnte. Seitlichen Halt konnen die Leinen nicht bieten. Ich habe dann einen kleinen Hinweis geben wollen und gefragt, warum die Heckleinen geführt und nicht gelöst werden. Sie sollten helfen mit dem Boot zwischen die Heckdalben (hier: Frontdalben) zu kommen und dann gelöst werde. Sinnfrei. Aber ich merkte: So gelernt und nachgedacht wird nicht. Dazu gefährlich, weil es keine Schwimmleinen waren. Also langsam nach vorne gefahren. Der vordere Mann fiert die vorderen Leinen -beide, auch das völlig sinnfrei, weil bedeutungslos. Eher gefährlich, weil er bei einem unvorhergesehenen Ereignis nicht beide Leinen bedienen kann und daher eine fallen lassen muss. Die landet im Zweifel im Propeller oder verhakt sich irgendwo. Aber: Gelernt ist gelernt. Also halb raus aus der Box. Dann hektisches Durchziehen der Heckleinen durch den Mann am Steuer. Dazwischen hab ich einen der beiden Fender, die noch außen hingen, bei ihm über die Reling gehängt, weil sie so nicht durchpassten. Den zweiten hängenden Fender hat der Steuermann -beide Heckleinen in einer Hand- krampfhaft mit einer Hand versucht, aus dem Wasser zu ziehen im Kampf mit der Verkantung an der Sorgleine. Aber das war geschafft. Dann waren auch die Heckleinen los. Als der Vordermann etwas wegen der vorderen Leinen sagte meinte ich zum Steuermann, super, dann muss er ja gleich nur noch einschlagen und kann vorwärts aus der Box, gegebenenfalls mit dem betriebsbereiten Bugstrahler nachhelfen. Nein, das wollte er nicht, er hätte sich entschieden rückwärts aus der Boxengasse zu fahren. Ich hab nichts gesagt, bin aber sofort an mein Heck gegangen. Mir schwante Allerböstes. Und so kam es auch. Als nächste verständigten sie sich, die backbordseitige Vorderleine an Deck zu holen. Dabei fuhr der Steuermann weiter. Weil aber die steuerbordseitige Leine zu kurz war, um das Boot bis in die Mitte der Boxengasse zu fahren, was mir vorher schon klar war, der Frontmann dabei das Ende fest hielt, drehte sich das Boot aus der Box direkt seitlich an den Steuerbordpfahl. Gleichzeitig der Begrenzungspfahl zu meiner Box. Boot an Pfähle legen klappt nur in der Theorie und bei leeren Häfen, das hab ich schon oft in Diskussion betont. Auch hier war das zu meinen Lasten nicht möglich. Weil der Steuermann damit nicht gerechnet hatte -gelähmte Hilflosigkeit. Der Vordermann lässt seine Leine los, das Boot dreht sich -den Wind jetzt voll von der Seite bekommend, obwohl nicht viel, voll gegen meine beiden Heckpfähle. Der erfahrene Segler, der mein Boot auch nur von weitem sieht, weiß, was kommen muss. Da der Steuermann nicht weiß, was er tun kann oder muss, tut er nicht wirklich etwas. Das Boot treibt nach vorne. Ich rufe laut und deutlich: "Achtung, mein Windgenerator" und schon treibt das Boot mit einer seiner steuerbordseitigen Wanten gegen meinen Windgenerator, der genau zu der Seite gedreht war, weil der Wind von dort kam, und damit natürlich leicht über die Box hinaus stand. Zum Glück, wirklich großen Glück, gelang es dem Vordermann und mir, das Boot zurück zu drücken, bevor viel Druck auf den Windgenerator und seine Befestigung kam, so dass nichts passierte. Der Steuermann hatte mittlerweile -ich sag mal: aus Panik- den Rückwärtsgang eingelegt, leicht, aber das Boot fuhr damit gaaaaaaanz langsam zurück. Der Vordermann und ich drückten mir voller Kraft das Boot von meinem bzw. den Heckpfählen von mir weg und ich rief nur laut: "Bugstrahlruder nach links!" Diesmal folgte der Steuermann und damit war die Situation dann kurz darauf bereinigt... Zum Glück ohne Schaden am Windgenerator -der Schaden wäre mehrere tausend Euro gewesen, wenn Windgenerator und Halterung beschädigt worden wären.

Was lernt man daraus: Erfahrung muss man nicht haben, aber dann wenigstens vorher überlegen, was man tut und nicht sklavisch etwas Gelerntem folgen, was in dieser Situation nicht nur keinen Sinn machte, sondern sogar gefährlich war. Ich hoffe, das nehmen die beiden als Lektion mit.

So wird dann das Liegen im eigenen Liegeplatz manchmal auch zu einem Abenteuer...

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